Unser Wertesystem befindet sich im Wandel. Dinge werden oft danach bewertet, wie nützlich sie für uns sind. Natur hat in der Regel nur dann einen Wert, wenn sie uns zur Ernährung dient oder zum Genuss beiträgt. Alles, was diesen Nutzen gefährdet oder stört, wird als Unkraut oder Ungeziefer bezeichnet. Doch mit einem veränderten Verhältnis zur Natur beginnen wir, diese Klassifizierung aufzuheben. Wir erkennen, dass auch jene Dinge, die einst als störend galten, einen wichtigen Nutzen haben, nämlich die Erhaltung unserer Umwelt. Diese Werteskala verändert sich derzeit.
Wir realisieren, dass vieles, was uns bislang wichtig erschien, nicht mehr gut für uns ist. Im Gegenteil, es bringt uns sogar in bedrohliche Situationen. Das bisher gewohnte System wird infrage gestellt, doch der Weg zu Neuem verlangt tiefgreifende Veränderungen, ohne uns eine Garantie auf Verbesserung zu geben. Wir haben uns an unseren Wohlstand gewöhnt und genießen ihn. Doch durch die Globalisierung werden wir plötzlich mit den Kosten konfrontiert. Wie ein Paar, das sich in einem teuren Restaurant verwöhnt hat, stellen wir fest, dass wir die Rechnung nicht bezahlen können. Ähnlich wie jemand, der über seine Verhältnisse gelebt hat, müssen wir nun sparen. Dies bedeutet, dass viele liebgewonnene Gewohnheiten nicht mehr beibehalten werden können.
Menschen schwanken zwischen Verunsicherung und Überforderung. Gezwungen, sich einem ungewissen Morgen zu stellen, sehnen sich viele nach dem Gestern zurück. Diese Unsicherheit und Überforderung führt letztlich zu einer Gegenreaktion: der Verweigerung. Die Geschwindigkeit der Veränderungen ist zu hoch. Eine Weile können wir mithalten, doch je nach persönlicher Belastbarkeit steigen wir früher oder später aus. Wir laufen nicht mehr mit, sondern lassen laufen. Genau diese Zeiten erleben wir jetzt.
Die Rolle der Kunst im Wandel
Es geht nicht mehr darum, uns darüber aufzuklären, was wir tun sollten – das wissen wir bereits. Doch wir sind mit der Umsetzung überfordert. An dieser Stelle kann die Kunst einen wertvollen Beitrag leisten. Historisch gesehen war sie stets in der Lage, gesellschaftliche Umbrüche zu dokumentieren und neue Werte zu manifestieren. Der Kubismus beispielsweise dokumentierte die Zerschlagung der Welt und führte zu neuen Bildwirklichkeiten, die im Einklang mit den gesellschaftlichen Veränderungen standen. Kunst kann das Weltgeschehen komprimieren und es in einer verträglichen Dosierung an uns zurückgeben. Der Betrachter selbst bestimmt dabei die Intensität der Dosierung und das Tempo der Aufnahme.
Spätestens mit Duchamps Urinal hat die Kunst bewiesen, wie nachhaltig sie Wertesysteme infrage stellen kann. Als Josef Beuys schließlich Materialien wie Filz und Fett als Material für die Objektkunst etablierte und dafür sechsstellige Beträge gezahlt wurden, geriet die Kunstwelt aus den Fugen. Kunst hat die Fähigkeit, Bilder zu schaffen, die, wenn sie stark genug sind, sich beim Betrachter festsetzen und möglicherweise erst viel später ihre Wirkung entfalten.
Trash Clash Art ist ein Spiel mit den beiden Enden unserer Werteskala: Kunst und Abfall, Inhalt und Verpackung. Ihre Wirkung variiert je nach Kontext, in dem sie erscheint. Ein Urinal im Baumarkt ist etwas anderes als das gleiche Urinal im Museum of Modern Art. Eine Lektion, die uns Duchamp gelehrt hat. Dabei entstehen Assoziationsketten, die der Betrachter entweder ignoriert oder zulässt – die Entscheidung liegt bei ihm.
Trash Clash Art fand am 10. und 11. November 2023 am Raschplatz und im Monkey’s in Hannover statt. Veranstaltet von HANNOVER LEUCHTET e.V.